Heute morgen habe ich erstmals richtig ausgeschlafen… bin um 7.30 Uhr aufgestanden. Es sollte nach Neuhof/Bad Sachsa zum Wandern gehen. Gut gefrühstückt und mit Proviant und heißem orientalischen Minztee versorgt, machte ich mich zunächst zu Fuß auf dem Weg zum Bus. Meine Jahreskurkarte, die auch zum kostenlosen Busfahren berechtigt, wurde diesmal gründlichst kontrolliert. Eigentlich sagte der Busfahrer, dass er die jetzt fotografieren müsste und der Stadtverwaltung zukommen lassen sollte, damit festgestellt werden kann, ob ich nicht illegal reise. Corona lässt grüßen… Werden jetzt schon Busfahrer zur Erfüllung gesetzlicher Coronavorschriften missbraucht? Sachen gibst, die gibts gar nicht. Doch es gibt Gips in der Karslandschaft in Neuhof. Einen alten Gipsbrennofen und die weiße Wand vor der Sachsensteinhütte. Einfach genial anzusehen und diesmal habe ich direkt hinter der Hütte ein Abbaugebiet von Gipsgestein gesehen. Weiße Wände und eine wunderschöne weiße Kraterlandschaft. Und direkt nebenan ein Werk für Spezialgips… Die zwei Stempel der Harzer Wandernadel waren schnell geschafft. Jetzt sollte es 5 Kilometer weiter zum Hexentanzplatz oberhalb des Bahntunnels zwischen Walkenried und Ellrich gehen.

Schöne Wanderstrecke und erst 300m vor dem Ziel alle sichtbaren Wanderwege aufgrund von Baumfällungen gesperrt. Die sagen hier: Baumernte…. Kein Durchkommen…. einmal eingeatmet, einmal ausgeatmet und schon war ich auf dem anderen Weg den Bahngleisen entlang. Plötzlich der lange Tunnel vor mir. Ok, ich war oberhalb des Tunnels schon häufiger… kurz über bahn.de gecheckt, ob ein Zug zu erwarten ist und dann hinein auf den schmalen Fahrweg neben den Gleisen. Das wäre was für meine Frau gewesen…. Muffig und kalt der Tunnel, kommt vielleicht doch ein Zug? Ok, ich mit Tempo durch den Tunnel und meine App zeigte mir an, dass sich oberhalb der Hexentanzplatz befindet. Egal, die weiteren zwei Kilometer Umweg nehme ich in Kauf. Dort am Hexentanzplatz trafen sich jedes Jahr vor der Grenzschließung 1961 vor Pfingsten die jungen Herren und Damen und die Männer durften sich mit verbundenen Augen ihre Pfingstbraut ertasten und aussuchen. Emanzipation = Fehlanzeige. Hat sich in Sachen Rollenverteilung eigentlich bis heute was geändert? Es war schon besser, aber durch Corona blieb doch vieles bei den Müttern hängen…

Der weitere Weg nach Ellrich führte mich durch das damalige KZ-Lager. Schaurig. Die gesamte Tagesration eines Häftlings betrug einen 3/4 Liter dünner Suppe aus Kartoffelschalen. Schauderhaft. Mein Onkel Alfons fiel auch im 2. Weltkrieg- mein zweiter Vorname. Er liegt in Hemmendorf auf dem Ehrenfriedhof neben der Kirche begraben. Das hatte ich erst an einem Volkstrauertag erfahren, als wir mit dem Bläsercorps dort spielten. Ist das Grab heute noch erhalten? Mein ältester Bruder war früher Bürgermeister von Hemmendorf, ob er das noch weiß?

Am Bahnhof in Ellrich wartete ich auf den Zug nach Walkenried. Neu sanierter Bahnhof mit drei neuen Gleisen. Ach so, ich habe häufig gehört, dass Strom- oder Datenleitungen neben Bahntrassen verlegt werden. Hier in Ellrich gibt es einen kleinen Betonkanal neben den Gleisen und dort liegen richtig, richtig dicke Kabel drin (Foto). Mein Zug fährt von Gleis 3 und zum Zugang ist eine einfache Kette gespannt. Erst muss nämlich Gleis 2 überquert werden. Ich habe mich schon gewundert und wie soll das gehen, denn zur gleichen Abfahrtzeit sollen jeweils ein Zug auf Gleis 2 und 3 eintreffen. Schon für mich schwer zu erklären und dann kommt aus dem Stellwerk eine freundliche Dame herbei. Ich fragte Sie, ob ich durch den Zug von Gleis 2 springen müsste, um dann meinen Zug auf Gleis 3 zu bekommen? Sie beruhigte mich und öffnete die Zugangskette. Der Zug auf Gleis 3 fuhr ein. Der neue Bahnsteig hat nicht die Mindestmaße, deshalb muss der Zugang bis August 2022 (!!!) persönlich durch eine verantwortungsvolle BahnmitarbeiterIn geöffnet werden. Eingestiegen. Die Kette wurde geschlossen (Foto). Ich sah durchs Fenster, dass der andere Zug einfuhr. Ist alles sehr kompliziert und deshalb auch von mir sehr schwer zu beschreiben. Also die Bahnposse hat die Krönung: pro Stunde einmal muss die BahnmitarbeiterIn diesen Vorgang wiederholen. Kette auf, Bahngäste durchlassen und Kette zu. Inkl. Hin- und Rückweg vom Stellwerk=15 Minuten. Und das bezahle ich alles mit meinem Fahrpreis. …

Im Zug nach Walkenried fuhr eine Frau mit einem aufgeweckten fünfjährigen Jungen. Ich fragte ganz locker: Mutter/Kind Kur in Braunlage? Beide nickten, die Mutter sehr gestresst. Beim Aussteigen half ihr mit dem Koffertragen und auch beim Einsteigen in den Bus. Auf meine Frage, in welcher Einrichtung die Kur stattfindet, konnte sie keine Antwort geben: wir werden am Omnibusbahnhof abgeholt. Oh Frau, hoffentlich kriegt sie während der Kur auch ihre Freiräume… und warum heißt das immer noch Mutter/Kind-Kur und immer nur die Mutter ist gefordert. Ich hätte gern auch eine Kur mit meinen Kindern gemacht… aber so wie heute wäre man dann als Mann gleich am Karriereende. Da muss sich was positiv ändern. Mein nasskalter Wandertag endete nach 15,7 Kilometer. Viel erlebt und zum Tagesabschluss gab es Currywurst und Krautsalat vom örtlichen Schlachter. Lecker.

Bernhard

Jahrgang 1963, Sparkassenbetriebswirt, jetzt Pensionär, 1. Vorsitzender, Pressewart und stv. Wanderwart beim SC Barienrode e.V., Gesetzlicher ehrenamtlicher Betreuer von fünf lieben Menschen.

Von Bernhard

Jahrgang 1963, Sparkassenbetriebswirt, jetzt Pensionär, 1. Vorsitzender, Pressewart und stv. Wanderwart beim SC Barienrode e.V., Gesetzlicher ehrenamtlicher Betreuer von fünf lieben Menschen.