Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Genau so war es gestern… Nach meiner frühen Anreise mit dem Wohnmobil nach Ilsenburg musste ich feststellen, dass meine geplante Wandertour im Oberharz empfindlich gestört wurde. Ich wollte mit dem Wanderbus der Harzer Verkehrsbetriebe (HVB) auf die Hochebene fahren und von dort los wandern. Was stand aber jetzt auf dem Fahrplanschild: Ausfall wegen eines Brückenschadens im Nationalpark. Natürlich hatte ich morgens noch auf der Internetseite der HVB geschaut, ob es Fahrplanänderungen gibt. Da stand nichts. Blöd. Was sollte ich jetzt weiter machen? Der Startpunkt „Carlshaus“ liegt nur 9,2 Kilometer entfernt… Ich wollte meinen Plan der Wanderung nicht umwerfen und bin dann notgedrungen die Fahrstrecke hoch gewandert, denn ich wollte auch unbedingt wissen, was für ein Brückenschaden das war. Irgendwie hat mich das alles trotzdem beflügelt, denn ich war flott unterwegs mit 5,5 km pro Stunde im Durchschnitt. Ist ja bald so wie leichtes Laufen auf dem Laufband im Fitnessstudio…
Erst nach 7,5 Kilometern sah ich oberhalb der Steineren Renne das „Brückenschädchen“, zwei Mauersteine von jeweils ein Meter Länge waren abgesackt. Professionell mit Leitplanken (!) abgesichert. Hey Leute, gebt doch einfach zu, ihr wollt den Wanderbus hier oben nicht mehr fahren sehen. Jede privatwirtschaftliche Firma hätte den Schaden sofort behoben. Und ihr von der HVB klebt an jeder Haltestelle wetterfeste lamminierte Hinweisschilder rein, weil ihr mit einem längeren Ausfall der Buslinie rechnet. Wenn schon aufgrund des Borkenkäfers kein Wald mehr da ist, dann braucht es mindest einen verlässlichen Tourismus. Ich weiß, dass diese Buslinie in der Vergangenheit gut genutzt wurde, auch von älteren Herrschaften, die nur die Ausflugslokale Steinere Renne und Plessenburg besuchen wollten. Später hierzu mehr.
Die eigentliche Wanderung begann dann am Ottofelsen. Ich war vor vier Jahren zuletzt hier. Vieles abgesperrt. Wird hier was neues mit der Hochschule Göttingen entwickelt? Zumindest haben hier viele Fahrzeuge aus Göttingen freie Zufahrt.
Weiter ging es zur Stempelstelle der Harzer Wandernadel, die Steinere Renne. Ein beeindruckender Wasserverlauf direkt neben dem Ausflugslokal. Die nächsten Stempel habe ich dann mir bei der Mönchsbuche, Oberförster-Koch-Denkmal und der Wolfsklippe geholt.
Beim Molkenhausstern traf ich dann Malte und Thomas. Baujahr 1962 und 1964 und in Vorruhestand. Baujahr kann ich sagen, denn beide waren bei VW beschäftigt. Es entwickelte sich ein sehr interessantes Gespräch. Wir unterhielten uns über das fortgeschrittene Waldsterben… Sieht übrigens hier so aus wie in der Tundra – eine baumfreie Hochfläche. Nach dem guten Brotvesper schenkte Malte einen Schnaps ein. Büffelgras-Wodka, mild würzig und nach Gras riechend. War das etwa Cannabis? Mir sind die beiden Schnäpse gut bekommen und ich hatte wieder Flügel in meinen Beinen. Zum Schnaps gab es noch Persipan, eine dem Marzipan ähnliche Masse, aber ein wenig herb-bitter schmeckend. Hat seine Schwester hergestellt, die an der holländischen Grenze in Goch wohnt. Das war das Stichwort für Thomas, der erzählte gleich, dass das der Geburtsort unserer ehemaligen Gesundheitsminsterin Carola Reimann ist und er mit ihr sogar studiert hat. Also wenn ihr von der AOK in Berlin etwas braucht, da ist sie jetzt Vorstandsvorsitzende, ich könnte den Kontakt über Thomas herstellen.
Bei der vorletzten Wanderstation, dem Gasthaus Plessenburg, machte ich ausgiebig Rast. Dort am Außentisch setzte ich mich zu Detlef. Ein einheimischer aus Oehrenfeld, der interessante Geschichten erzählte. Bei der ersten Geschichte handelt es sich um Josef H. Boquoi, der deutsche Unternehmer und Gründer von Bofrost, dem europaweit größten Direktvertreiber von Tiefkühlkost. Detlef hat in der Gründungszeit in den 60er Jahren mit Josef H. Bouquoi zusammengearbeitet. Heute ist der Multimillionär. Kontakt habe er nicht mehr zu ihm, aber den Geheimtipp für den Verkauf direkt aus dem Kühlwagen hat er mir erzählt: beste Kunden waren die Bauern, denn die hätten immer die größten Gefriertruhen gehabt und hatten aufgrund der langen Arbeitszeit in der Landwirtschaft kaum Zeit selbst einzukaufen. Wieder was dazu gelernt.
Die 2. Geschichte handelt von der Firma Radsatz hier in Ilsenburg. Diese Firma haben Chinesen im Jahr 2016 gekauft (Hauptsitz ist Bochum). Und als Zugabe haben sie das Forsthaus direkt neben dem Ausflugslokal Plessenburg bekommen. Ist komplett renoviert, steht aber vermeintlich leer. Oder trifft sich dort ein Geheimbund? Bei den Chinesen ist nichts auszuschließen.
Zum Abschied erzählte ich der stv. Geschäftsführerin Anja Dickehut vom Ausflugslokal Plessenburg meine heutige Erfahrung und meine Vermutung mit dem Wanderbus. Oh je sagte sie, wenn der Wanderbus länger ausfallen würde, dann würden wir das auch deutlich beim Umsatz spüren… Ich werde auf jeden Fall am „Wanderbus“ dranbleiben und Frage bei der HVB, dem Tourismusverband und bei der Zeitung nach. Verlässlicher Tourismus ist gefragt.
Über den Ilsenstein ging es dann zurück nach Ilsenburg. Knapp 30 Kilometer kamen dann am Ende des Tages zusammen und 932 Höhenmeter musste ich während der gesamten Wanderung rauf. Das war ganz schön anstrengend, deshalb bin ich gestern nach der heißen Dusche direkt eingeschlafen und habe dabei vergessen, sofort den Bericht zu schreiben.
Gleich fahre ich nach Drei Annen Hohne und wandere dann auf der 2. Strecke in der Hochebene des Harzes.