Der Morgen begann mit einer zähen Auseinandersetzung zwischen mir und meinem inneren Schweinehund. Der gestrige Sturm und die daraus entstandene körperliche Anstrengung sowie die Aussicht auf über 30 Kilometer in winterlicher Kälte schienen mich ans Bett zu fesseln – doch dann kam die entscheidende Nachricht meiner Frau. Ein kurzer Blick auf ihre ermutigende WhatsApp-Nachricht, und der Kampfgeist war geweckt: „Jetzt erst recht!“. Und so begann meine Tour durch das verschneite Vogtland.
Start in Lengenfeld: Eiskristalle und Feiertagsruhe
Von Lengenfeld aus führte der Weg gleich zu einem echten Highlight: dem Aussichtspunkt „Pilz“ oberhalb der Stadt. Die winterlich angehauchte Landschaft lag in stiller Ruhe, die Wege leicht angefroren – ein Bild, wie aus einer Postkarte. Doch warum war es so unheimlich still? Die Lösung brachte ein kurzer Moment der Erinnerung: Buß- und Bettag in Sachsen – ein Feiertag. Diese Tatsache sollte mich später noch vor Herausforderungen stellen.
Ein Weg voller Höhen
Der Jakobsweg im Vogtland teilt hier die Route mit dem E3-Fernwanderweg, was mir zusätzlich Orientierung bot. Vorbei am imposanten Perlaser-Turm ging es in die Stadt Treuen, wo ein Spruch an einer Schultür ins Auge stach: „Aller Anfang ist schwer.“ Passender hätte es für den heutigen Tag kaum sein können. Die Schneeschauer wurden zunehmend kräftiger, während der Weg mich durch kleine Dörfer und über einsame Höhen führte.
Der höchste Punkt meiner Route war der Streuberg mit 554 Metern über Normalnull. Hier präsentierte sich die Landschaft in einem zauberhaften Winterkleid – die Bäume mit einer dichten Schneedecke, die Luft klar und frisch. Ein Moment der Ruhe, bevor der lange Abstieg begann.
Eine letzte Hürde: Der „Vogelherd“
Als ich die letzten Kilometer Richtung Oelsnitz in Angriff nahm, forderte der Tag Tribut. Auf dem Berg „Vogelherd“ – bei Kilometer 27 – wartete eine schier endlose Steigung. 100 steile Meter, die mich an meine Grenzen brachten. Oben angekommen, entschädigte mich jedoch der Anblick von Schloss Voigtsberg, einem ehemaligen Frauengefängnis, das in seiner schlichten Erhabenheit beeindruckte.
Akku leer, Hilfe da
Doch der Tag war noch nicht vorbei: In Oelsnitz angekommen, machte mir die Feiertagsruhe erneut einen Strich durch die Rechnung. Wenige Bus- und Zugverbindungen bedeuteten lange Wartezeiten – und als wäre das nicht genug, gab auch noch mein Handy-Akku den Geist auf. Darauf gespeichert: mein Deutschland-Ticket.
Die Rettung kam in Form von Uwe, einem Taxifahrer, der gegenüber der Bushaltestelle am Kinderhort stand. Aufgrund von festen Terminfahrten konnte er mich nicht fahren. Und das Beste ist, er wohnt gegenüber der Bushaltestelle wo ich frierend stand. Uwe hatte eine großartige Idee. Er lud mich kurzerhand zu sich nach Hause ein, wo seine Frau Angela und Tochter Elena mich freundlich empfingen. Mit Elenas Schnellladekabel wurde mein Handy gerettet, und bei einer Tasse Kaffee und Keksen lernte ich die Begeisterung der Familie für den FC Aue kennen – ein wunderbarer Moment der Gastfreundschaft.
Heimwärts mit kleinen Freuden
Im Bus konnte ich mein Handy weiter aufladen und kam mit dem sympathischen Busfahrer Tom ins Gespräch, der sogar kurz für ein Foto anhielt. Nach einer weiteren langen Wartezeit in Rodewisch erreichte ich schließlich Lengenfeld und setzte das Wohnmobil für die Heimfahrt nach Hof um.
Fazit: Ein Tag, der bleibt
32,17 Kilometer, 530 Höhenmeter, ein Durchschnittstempo von 4,6 km/h – eine Etappe, die mich nicht nur körperlich forderte, sondern auch emotional bereicherte. Die Hilfsbereitschaft der Menschen, die Stille der Natur und die kleinen Überraschungen des Weges machten diesen Tag unvergesslich. Morgen steht der letzte Wandertag an – aber davon berichte ich aufgrund meiner direkten Heimfahrt erst übermorgen.