Sonntagnachmittag, das Wohnmobil auf dem Stellplatz am Bahnhof in Harsefeld abgestellt. Von hier soll es losgehen — und am Ende auch wieder hierher zurück. Mein Ziel: eine Etappe auf der Via Baltica, dem norddeutschen Jakobsweg, von Grünendeich über Steinkirchen, Neuenkirchen, Horneburg und Issendorf zurück nach Harsefeld. Der Stress der letzten Wochen sitzt mir in den Knochen — Sportverein, fünf ehrenamtliche Betreuungen, und immer was los. Aber statt zu sagen „Das können andere machen“, packe ich es an. Weil es wichtig ist, weil es Freude macht und weil jeder seinen Teil beitragen sollte. Ehrenamt hält unsere Gesellschaft zusammen, und es tut auch gut.

Punkt sechs heute morgen der Wecker, aufstehen und frühstücken und dann rein in den Bus, eine Stunde über Stade nach Grünendeich. Los geht’s. Die Strecke führt durchs Alte Land, dieses Obstparadies im Norden, wo Äpfel und Kirschen um die Wette reifen. Ich starte an der Lühe-Fähre vorbei an schicken Reetdachhäusern, die wie aus dem Bilderbuch stammen. Neun Kilometer marschiere ich oben auf dem Deich, der Blick weit, der Wind frisch, die Füße leicht in meinen Barfußschuhen. Die neuen Socken dazu: DANISH ENDURANCE Merino-Woll-Wandersocken. Perfekt.

Unter der A26 hindurch, weiter nach Horneburg, ein hübsches kleines Städtchen, das einen kurzen Stopp wert ist. Der Wegverantwortliche vom Jakobsweg hat hier Qualität bewiesen! Abweichende Wege hat er mit einem durchgestrichenen Jakobsweg-Muschelschild gekennzeichnet. Ich kenne die Strecke, der Weg ist klar, und wer aufmerksam bleibt, geht sowieso nicht verloren.

Die Gegend zwischen Neuenkirchen und Issendorf ist ein Traum, ein Wechselspiel aus Bruch- und Auwäldern, knorrige Bäume säumen den Weg, Vögel zwitschern, Natur pur. Kurz vor Harsefeld genehmige ich mir ein Fußbad auf dem Friedhof, kaltes Wasser über die müden Füße, dazu ein kurzer Mittagsschlaf auf der Bank neben alten Grabsteinen. Muss man sich ja schon mal dran gewöhnen… Insgesamt knacke ich heute 25,3 Kilometer auf der Via Baltica und komme pünktlich zum Spaghettieis an — am gleichen Platz wie am 11.7.2024, fast auf den Tag genau nur ein Jahr später: https://wanderbruder.de/category/jakobsweg-friedrichstadt-schleswig-nach-glueckstadt-bis-harsefeld/

Kleine Rituale gehören dazu.

Während ich mich im Wohnmobil frisch mache und eine warme Dusche gönne, läuft im NDR Radio der Nachrichtenblock. Und ich höre, dass hier in Harsefeld gerade eine Bande Intensivtäter ihr Unwesen treibt, Leute verprügelt und die Taten auch noch ins Netz stellt. Es hat sich bereits eine Bürgerwehr gebildet. Was für eine verrückte Zeit. Und als wäre das nicht skurril genug, wird Ringo Starr heute 85. Laut NDR meditiert er täglich und isst jede Menge Brokkoli. Ihr könnt raten, was meine Frau mir für heute Abend vorgekocht hat. Richtig: Brokkoli.

Fazit: Ein Tag mit allem, was dazugehört. Natur, Zufälle, absurde Geschichten, der Gedanke ans Ehrenamt und der Jakobsweg, der sich sowieso nie planen lässt. Ich kann euch nur sagen — geht raus, engagiert euch, helft wo ihr könnt und genießt das, was ihr habt. Das Leben draußen ist einfach besser.

Von Bernhard Kruppki

Jahrgang 1963, Sparkassenbetriebswirt, jetzt Pensionär, 1. Vorsitzender, Pressewart und stv. Wanderwart beim SC Barienrode e.V., Gesetzlicher ehrenamtlicher Betreuer von neu: vier lieben Menschen.