Der Tag begann mit einer Sightseeing-Tour der besonderen Art: 1 ½ Stunden unterwegs von Ottersberg bis Zeven, meinem heutigen Startpunkt, Zug und Bus, gefühlt an jeder Milchkanne gehalten. Und plötzlich sitzt da ein Spanier neben mir, der sich bei Autohus.de (plattdeutsch) in Bokel ein Auto gekauft hat und noch heute die 1600 Kilometer nach Cadaqués bei Barcelona zurückfahren will. Verrückte Welt. Er ist Rentner, hat Zeit, Lebensfreude und Geschichten im Gepäck. Ein nettes Gespräch und wieder einmal die Erkenntnis, wie überraschend klein und bunt Europa ist.
In Zeven angekommen war’s noch zu kalt fürs T-Shirt, aber ich hatte natürlich nur ein T-Shirt an. 22 Grad waren angesagt, gefühlt maximal 12.
Die drei Pilgerinnen vom Vortag habe ich auch wieder getroffen — diesmal sogar zu viert. Sie haben sich auf einer Wiese ein Frühstück gegönnt, ich hab kurz geschnackt und bin dann weiter. Ruhig lange rumsitzen? Nichts für mich. Muss man das können? Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht.
Nach etwa acht Kilometern trennte sich die Via Baltica von der Via Romea. Es ging durch weite Felder, kleine Orte und dichte Waldstücke. Sonne, Wolken, kühler Wind. Die Strecke führte über Oldendorf und Steinfeld, wo mich das imposante Großsteingrab aus der Steinzeit beeindruckte — rund 2500 v. Chr. errichtet, und immer noch wirkt es so, als könnten hier jederzeit alte Geschichten aus dem Boden kriechen.
Im Winkeldorf kam ich an meinem neuen Lieblingsrastplatz vorbei: ein unscheinbares Plätzchen mit Blick auf Wiesen und Waldrand, eine private Oase vor einer Scheune, absolute Stille.
Nicht zu verwechseln mit den drei kleinen Engeln, die später auf einem abgesägten Baumstamm direkt an der Straße nach Narthauen saßen.
Merkwürdiger Anblick, drei Figuren mitten im Nichts. Was da wohl mal passiert ist? Einfach zu viele Gedanken… durch Narthauen ging’s weiter — eine landschaftlich wunderschöne Strecke, abwechselnd schattige Waldwege und offene Feldlandschaften, von knorrigen alten Bäumen gesäumt. In der Gegend um Nartum hat Walter Kempowski, einer der bekanntesten deutschen Schriftsteller des 20. Jahrhunderts, 42 Jahre gelebt. Bekannt wurde er durch seine autobiografischen Romane und das beeindruckende „Echolot“-Projekt, eine gigantische Sammlung von Zeitzeugenberichten aus dem Zweiten Weltkrieg. Wenn man hier unterwegs ist, versteht man, warum er dieses wald- und wiesenreiche Idyll so geliebt hat. Es liegt ein besonderer, stiller Zauber über dieser Gegend.
Nach exakt 28,21 Kilometern erreichte ich Ottersberg. Ein toller Streckenabschnitt, voller Natur, Geschichte und skurriler Begegnungen. Einziger Wermutstropfen: unterhalb des Zehennagelas am rechten Zeigezeh hatte sich unterwegs etwas gequetscht. Ich hab es kurzerhand aufgestochen, der Eiter lief raus — Schmerz weg, weiter geht’s. Gehört dazu. Morgen wartet der nächste Abschnitt bis Bremen.






















