Die Via Baltica hat mich über 251 Kilometer durch Norddeutschland geführt – von den Deichlandschaften an der Elbe in Grünendeich bis zur Domstadt Osnabrück. 8,5 Wandertage, die körperlich fordernd und gleichzeitig seelisch wohltuend waren. Oder in Zahlen: Sechs Marathons in weniger als neun Tagen – ein Schnitt von fast 30 Kilometern pro Tag. Nicht schlecht für einen 62-Jährigen mit Barfußschuhen und einem verlorenen Implantat am Frühstückstisch.
Die Strecke ist gut markiert, überraschend abwechslungsreich und verläuft meist auf Feld-, Wald- und Wirtschaftswegen – Beton war die Ausnahme, und selbst an Straßen gab es häufig begehbare Seitenstreifen. Die Beschilderung war vorbildlich, Verlaufen eigentlich nur möglich, wenn man’s drauf anlegt. Einkaufsmöglichkeiten gibt es allerdings hauptsächlich in den größeren Orten – wer auf Etappenverpflegung setzt, sollte etwas Planung mitbringen.
Besondere Highlights unterwegs:
– Das Großsteingrab bei Steinfeld, das einfach so aus dem Wald auftaucht wie ein vergessener Riese
– Die Künstlerdörfer Fischerhude (Rilkes Ehefrau hat dort gelebt!)
– Die Brückenquerung mit freier Klettertechnik bei Gräfinghausen
– Das spontane Motorrad-Mitfahren nach Dünsen – Sozius statt Dauerlauf
– Die unfreiwillige Zahnrettungsgeschichte in Damme
– Das eigene Kino im verspäteten Nachtzug – Sitzplatz allein, Fensterfilm Regen, Tonspur Bremen nachts um eins
– Und natürlich: das Treffen mit den Bremer Stadtmusikanten – Esel, Hund, Katze, Hahn. Nase und Bein berührt. Gänsehaut-Moment.
Kurz vor Osnabrück ging’s dann noch durch das renaturierte Campemoor – mit nassen Füßen, hohem Gras und bestem Material an den Füßen: Die Danish Endurance Merino-Wollsocken haben gehalten, was sie versprechen. In Kombination mit den Barfußschuhen: keine Blasen, keine Beschwerden, dafür Fußtraining deluxe auf der Schotterstrecke bei Mahlstedt.
Auch die Wahl, mit dem Wohnmobil zu starten und zu enden, hat sich erneut bewährt – flexibel, unabhängig, komfortabel. Perfekte Basis für ein Projekt wie dieses.
Diese Strecke ist eine klare Empfehlung für alle, die auf dem Jakobsweg etwas Ursprüngliches, Bodenständiges suchen – wenig Spektakel, viel echtes Gehen. Und wer wie ich morgens um sechs aufsteht und einfach losläuft, wird belohnt: mit Weite, mit Erdung, mit sich selbst.