198,49 Kilometer in 6,5 Wandertagen, das sind stolze 30,53 Kilometer pro Tag – und ich kann sagen: Dieser Jakobsweg von Höxter nach Dortmund hat mich alles fühlen lassen – von Lachanfällen bis zu stiller Nachdenklichkeit.

Los ging alles in Höxter, einer Stadt, die von einer Bundesstraße in zwei Hälften geteilt wird. Schön an der Weser gelegen, aber irgendwie nicht so richtig der Touristenmagnet, trotz Landesgartenschau 2023. Dafür gab’s beste Apfel- und Birnenernte seit 25 Jahren – und meine Frau hat mich mit Proviant vom Feinsten ausgestattet, Brote inklusive Bussi. Perfekter Start.

Tag zwei: Dauerregen, 30 Liter pro Quadratmeter. Zum Glück hatte ich meine wasserdichten Barfußschuhe, meine Camel-Active-Jacke aus dem Outlet in Walsrode und den guten alten Sparkassen-Schirm im Gepäck. Bei der Bäckerei in Ovenhausen gab’s den ersten Stempel, und fast hätte mich eine Kastanie erschlagen – Pilgern kann gefährlich sein.

Dann Bad Driburg – hoch zur Iburg-Ruine, wo die Sachsenklause geschlossen hatte (Kaffee adé), und weiter nach Paderborn. Falsches Muschelschild? Zack, im Kreis gelaufen. Dafür Blaskapellen-Soundtrack in Bad Westernkotten: Ich vorneweg, gefühlt der neue Wanderpräsident. Walter Scheel hätte stolz mitgeträllert.

In Geseke dann mein persönliches Mode-Highlight: links Winterschuh, rechts Sommerschuh – Tiefenentspannung kann auch gefährlich sein. Dazu eine Bäckerei, die mir statt 2 € ein 2-DM-Stück rausgab. Seit 2002 gibt’s den Euro, und ich hab’s nicht mal gemerkt. Zeitreise beim Pilgern! Und dann Hexen-Stadtfest in Geseke – Kinder mit Zauberhüten, fast wie damals meine Tochter im blauen Glitzerkostüm.

Später in Erwitte: Gänse, die mich an Adventsbraten erinnerten, ein urkomischer Fahrradzaun und dann der direkte Gewaltmarsch auf der B1 – Hüfte meckert, aber egal. Am Abend griechisches Gyros ins Wohnmobil bestellt, mit kurioser Speisekarte: „Taxiteller – Gyros, Currywurst, Salat und Pommes.“

Und dann kam das große Highlight: Werl! Die Basilika, der Marien-Wallfahrtsort – pompös, ehrwürdig, still und beeindruckend zugleich. 2025 wird Heiliges Jahr, und ohne den Jakobsweg wäre ich hier nie gewesen. Das Stempelversteck war legendär, der moderne Beichtstuhl fast schon Kunst. Ich war restlos begeistert.

Zum Schluss die letzte Etappe Richtung Dortmund: Nebel am Morgen, Schnecken als Fotomodelle, ein kurioses Schild „Kellner kreuzt“, ein Brot mit meinem Namen drauf – das „Bernhard-Brot“. Und dann dieses Babyfenster. Ein ernster Moment auf einer sonst so lustigen Tour: Ein sicherer Ort für Neugeborene, für Mütter in Not. Schwer zu ertragen – und doch so gut, dass es diese Möglichkeit gibt. Ein stiller Augenblick mitten im Pilgertrubel.

Unna war laut, Wickede bot Flugzeuge im Dauertakt, und die Galopprennbahn in Dortmund war überwuchert und unsichtbar. Aber egal – es war die letzte Etappe. Reinoldi-Kirche, Fußballmuseum, Bahnhof – Ziel erreicht. Und am Ende die offenen Arme meiner Frau: schöner kann ein Pilgerweg nicht enden.

Mein Fazit: Der Jakobsweg von Höxter nach Dortmund ist eine gut ausgebaute Strecke, meist sehr gut beschildert, mit tollen Stempelstellen und eindrucksvollen Momenten – von der Heiligenbergkapelle bis zur Basilika in Werl. Ja, es gibt mehr Teerstraßen als echte Wanderwege, und ja, manchmal nervt der Verkehr. Aber dieser Weg hat gezeigt, dass Pilgern mehr ist als Kilometerfressen: es ist Lachen über falsche Schilder, Staunen über uralte Kirchen, Nachdenken am Babyfenster und Freude über ein Bernhard-Brot.

198,49 Kilometer, die mich erschöpft, erfrischt und glücklich gemacht haben. Und eines weiß ich jetzt schon: Das war nicht der letzte Jakobsweg.

Von Bernhard Kruppki

Jahrgang 1963, Sparkassenbetriebswirt, jetzt Pensionär, 1. Vorsitzender, Pressewart und stv. Wanderwart beim SC Barienrode e.V., Gesetzlicher ehrenamtlicher Betreuer von neu: fünf lieben Menschen.