Um Punkt 10 Uhr starte ich heute erst auf dem Teilabschnitt der Via Baltica von Harsefeld nach Zeven. Der lange Schlaf tat mir gut – Energie gesammelt. Noch bei Sonnenschein ging es in Harsefeld los. Noch weht ein frischer Wind, aber alles sieht vielversprechend aus.

Vorbei am Erdgas-Speicher geht’s raus aus der Stadt Richtung Hollenbeck. Gleich am Ortseingang das neueste Nobelhütten-Viertel — schöne Ecke, alles noch blitzsauber und der Mähroboter dreht schon seine Runden. Der Weg heute verläuft fast identisch mit der uralten Via Romea, dem historischen Pilgerweg von Island bis nach Rom, der hier in der Gegend parallel zur Via Baltica führt. Übrigens: Die Beschilderung ist genial – kunstvoll geschweißte Hinweisschilder, die auch ohne LocusApp eindeutig zeigen, wo’s langgeht.

In Kakerbeck treffe ich drei Pilgerinnen aus Hamburg, die bis Bremen unterwegs sind. Schwer bepackt und lustig – kurzer Smalltalk über Etappen und Wetter, dann geht’s für mich weiter. Ich genieße den Luxus meines Wohnmobils im Hinterkopf und pilgere weiter über Oersdorf immer geradeaus. Wie im Leben: Spur halten, Linie haben, aber immer für Kompromisse offen sein.

Mitten im Wald ein komplett durchgesessenes Sofa – vermutlich illegale Entsorgung, als Schlafplatz eher untauglich und optisch ein ziemlicher Schandfleck im Grünen.

Weiter auf der Strecke sieht man überall Bauarbeiten für die Südlink-Stromtrasse. Energiewende zum Anfassen, das ganze Projekt wird mal quer durchs Land bis in den Süden gezogen, auch bei uns in Hildesheim vorbei.

Immer wieder warnen Zeckenschilder am Wegesrand — die Erinnerung an meine letzte Borreliose-Nummer 2018 reicht mir. Heute Abend erstmal den Körper nach diesen Teufelstieren absuchen.

Nach exakt 28,76 Kilometern erreiche ich Zeven, inzwischen haben sich die Schauer mehrfach über mich ergossen und der Wind hat auch nicht nachgelassen. Von dort nehme ich Bus nach Bremervörde und den Zug zurück nach Harsefeld. Ein langer, abwechslungsreicher Tag, voller Natur, Begegnungen und wilder Weggeschichten. Zum Abschluss setze ich mein Wohnmobil noch nach Ottersberg bei Bremen um. Morgen geht’s weiter — Start in Zeven.

Von Bernhard Kruppki

Jahrgang 1963, Sparkassenbetriebswirt, jetzt Pensionär, 1. Vorsitzender, Pressewart und stv. Wanderwart beim SC Barienrode e.V., Gesetzlicher ehrenamtlicher Betreuer von neu: fünf lieben Menschen.