Siggi, Gerd und Horst

Bei dieser Überschrift denkt ihr bestimmt alle: jetzt hat der Wanderbruder aber was genommen… nein… gleich vorweg: das wird ein megalanger Beitrag…

Tatsächlich habe ich ein gutes Frühstück in der Ferienwohnung Sommer in Arneburg eingenommen. Pünktlich um 7.54 Uhr klopfte es an der Tür und der Hausherr servierte das komplette Frühstück auf einem Tablett. Erst wollte ich es mir mit ins Bett nehmen, aber diesen Service überlasse ich meiner Frau Renate nach meiner Rückkehr.

Heute ging es schnurgerade von Arneburg bis nach Tangermünde auf dem Jakobsweg, dem identischen Elberadweg. Demzufolge hatte ich den ganzen Tag eine harte Teer-/Betondecke unter meinen Füßen. Aua, die Blase am Zeh hat sich wieder gemeldet und war blutunterlaufen. Mein Weg führte mich auch durch Billberge, hier hat der CJD eine Reitschule und bildet Pferdewirte aus. Besonders ihr Mädels überlegt es Euch ganz genau; es ist ein ganz harter und schlecht bezahlter Job. Erst den ganzen Tag die Bahn abäppeln, Schubkarre schieben und dann noch misten. Teilt euch lieber ein Pferd in einer Reitbeteiligung, dann habt ihr auch mal ein Wochenende frei… bin wohl gerade leicht vom Thema meiner Pilgerwanderung abgekommen; es war mir aber ein Bedürfnis die Mädels zu warnen.

Nach 14 Kilometern erreichte ich Tangermünde,  die schönste Kleinstadt Deutschlands (2019). Zunächst spazierte ich an der Elbe lang und genoss den Wasserblick und die weite Ferne. Und in der Innenstadt konnte ich sehen, was die damalige Jury überzeugt hat: alte Stadtmauern, erneuerte Fachwerkhäuser und das Flair einer kleinen Einkaufsstadt. Klasse. Allein der Eulenturm mitten in der Fußgängerzone ragt über alles hinweg und ist das Wahrzeichen von Tangermünde.

Zunächst habe ich mir den Pilgerstempel in der Stephanskirche geholt und den heiligen Jakobus begrüßt. Es ist eine sehr schön restaurierte Kirche mitten in Sachsen-Anhalt. Natürlich fragte ich die Kirchenmitarbeiterin nach einem guten Lokal und wo sie denn Mittags immer Essen gehen würde? Klare ehrliche Antwort: zur Gaststube Exempel direkt neben der Kirche. Vorweg: ein absoluter Geheimtipp.

Also marschierte ich wie früher, getreu den Männern nach dem sonntäglichen Gottesdienst, direkt in die nächstgelegene Gaststube, dem Exempel. 

Hier im Gasthaus war früher auch eine Schule eingerichtet und die ganze Gaststube war ein großes Klassenzimmer.  „Setzen Sie sich „Pfeiffer“ wollte gerade die Bedienung mit dem Namen „Carmen“ zu mir sagen, getreu dem Film der Feuerzangenbowle mit Heinz Rühmann, doch ich kam ihr vorweg und nahm wirklich in der 4. Reihe auf einer Schulbank Platz. Der Klassenraum war perfekt wiederhergestellt, sogar alte Tornister zierten die Wände. Alle saßen mit dem Blick zur Tafel.  Konnte ich wirklich in der Schule mir ein Bier bestellen? Aus der Schule bin ich zwar schon raus, aber  irgendwie fühlte ich mich in die Schulzeit zurückversetzt. Die lieben Klassenkameraden, die Fußballspiele in der Pause und die Ohrfeigen von Lehrer Gritzka.

Oh schon wieder abgeschweift… ich bestellte Kuhschwanzbier im Tonkrug. Also der Sage nach, hat die Kuh mit ihrem Schwanz das Bier aufgeschäumt.  Mensch, war das Bier lecker. Zu Essen habe ich eine Stadtbrandschuhsohle bestellt. Details dazu gleich… wie in der Schule haben alle Gäste miteinander geplaudert, nur als die junge strenge Lehrerin Melissa mit dem Essen rein kam, waren alle ganz still. Eigentlich ist Melissa gar nicht so streng als Chefin, sagte zumindestens Carmen…, die muss es ja wissen.
Mit dem Primaten Siggi in der 6. Reihe führte ich ein Gespräch über den Verlauf meiner Wanderstrecke. Und Siggi, wohnhaft in der Nähe von Schwerin, ganz trocken: „Wenn die Spritpreise weiter so steigen, dann wandern wir bald alle.. „. Gelächter in der gesamten Klasse.
Jetzt kam mein Essen, die „Stadtbrandschuhsohle“: ein großes Schnitzel mit Salat und einer Feuertomatensoße, der hausgemachte Aufstrich. Jetzt habe ich es auch verstanden….,  dass Schnitzel war die Schuhsohle und die Soße war der Stadtbrand von 1617.

Etwas verspätet, die Unterrichtsstunde hatte schon begonnen, kamen Gerd und Horst in den Klassenraum und sie mussten in der 5. Reihe Platz und Anteil nehmen. Beide haben lange die Schulbank gedrückt und waren bei VW als Ingenieure tätig. Heute kamen sie zum spontanen Klassentreffen zurück nach Tangermünde. Gerds Frau heißt übrigens Renate, so wie meine liebe Frau. Und beide haben etwas gemeinsam, sie wollen alles wissen. Liegt wohl am Vornamen.
Wenn ich nochmal zur Schule müsste, dann würde ich mir solche Klassenkameraden wie Siggi, Gerd und Horst wünschen. Aber auf keinen Fall die Zicke aus der 2. Reihe, die hat nur geredet, geredet, geredet und alles kommentiert.  Die wäre das 1. Opfer bei einem Klassenstreich gewesen.

Mit dem „Klosterklaus“ wurde ich kurz ruhig gestellt, um dann sofort wieder den Job des Klassenunterhalters zu übernehmen.

Es läutete die innere Schulglocke und ich begab mich wieder auf den Jakobsweg, der eigentlichen Schulaufgabe für heute.

Immer an der Elbe lang, vorbei an einer großen Schafherde, führte mich der Weg bis nach „Buch“. Hier gibt es kein Ortsschild, sondern nur Bücher. Untergekommen bin ich im Dorfhotel Güldenpfennig, mitten im Ort. Klasse Pension mit super schönem Innenhof.

Ach so, kurz vor Buch war die Straße markiert für einen großen Umzug. Seht euch einfach die Bilder an… Festumzüge habe ich geliebt als aktiver Bläser beim Bläsercorps Hemmendorf,  besonders in Bakede (Kreis Hameln-Pyrmont), wo wir auch durch die Feldmark 5 Kilometer gelaufen sind.

Mein Tagesfazit: knapp 23 Kilometer auf dem Tacho, toller Klassenausflug im Exempel und nette Leute kennen- und schätzengelernt. Danke für Eure Kommentare…

Und wenn ich schon mal in Buch bin, dann sollte ich wohl meinen Traum mal umsetzen und ein Buch schreiben. Ich habe diese Ressource des Schreibens erst jetzt so richtig erkannt. Versprochen, bis Ende 2024 gibt es ein Buch vom Wanderbruder und meine Töchter werden bestimmt Korrekur lesen,  denn sie sind meine größten Fans nach meiner Frau Renate.

Bis morgen Leute.

Meine heutige Wanderstrecke…
Bernhard

Jahrgang 1963, Sparkassenbetriebswirt, jetzt Pensionär, 1. Vorsitzender, Pressewart und stv. Wanderwart beim SC Barienrode e.V., Gesetzlicher ehrenamtlicher Betreuer von fünf lieben Menschen.

Von Bernhard

Jahrgang 1963, Sparkassenbetriebswirt, jetzt Pensionär, 1. Vorsitzender, Pressewart und stv. Wanderwart beim SC Barienrode e.V., Gesetzlicher ehrenamtlicher Betreuer von fünf lieben Menschen.

3 Gedanken zu „Schulbank, Kuhschwanzbier und Stadtbrandschuhsohle“
  1. Hier melden sich die Klassenkameraden Siggi und Bianca aus der 6. Reihe. Das Urteil über die Zicke (die nicht ins Internet wollte) aus der 2. Reihe teilen wir. Wir wünschen weiterhin eine gute Pilgertour bis Magdeburg (das Hundertwasserhaus ist ein wunderschönes Fotomotiv!!!), keine Blasen mehr und trockenes Wetter!

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