Morgens noch in dicker Nebelsuppe ab Nahe nach der Anreise mit dem Bus gestartet, knapp fünf Kilometer lang entlang der Bundesstraße geschlichen und gedacht: Na, das kann ja heiter werden! Doch dann, als hätte der Jakobsweg selbst ein Einsehen gehabt, wurde es plötzlich grandios. Ab Kayhude war es vorbei mit grauem Asphalt und Lärm – stattdessen mystische Pfade, verwunschene Waldwege und plötzlich schicke, metallene Jakobswegschilder, die einem den richtigen Weg wiesen.

Vorbei am Atemhaus – durchatmen, wegatmen, aufatmen –, durchs Nienwohlder Moor und am Alstersystem entlang, das sich malerisch durch die Landschaft schlängelte. Dann der Kontrast: Edle Hamburger Vororte, reiche Villen in Wandsbek, eine Luftmessstation (die ich nach der Bundesstraße wahrscheinlich bitter nötig hatte) und schließlich die Mellingburger Schleuse.

Ab da dann pure Wanderfreude: Immer an der Alster entlang, wo die Nachmittagssonne das Wasser glitzern ließ. Mein Gehirn wollte mich austricksen und mir suggerieren, dass nach der Mittagspause die Kräfte schwinden würden – also einfach den Tracker gestoppt und später wieder gestartet. Problem gelöst!

Die letzten Kilometer nach Hamburg waren ein Traum. So viele HSV-Aufkleber, dass ich fast dachte, ich wäre in meinem Vereinsmuseum gelandet. Schmucke Häuser an der Alster, Schleuse Fuhlsbüttel, kurzer Umweg wegen einer Jakobsweg-Sperrung – aber kein Problem, der Weg durch Eppendorf war dafür umso schöner. Ein kurzer Abstecher an der Komödie Winterhude vorbei, dann Richtung Außenalster, wo es wieder richtig schick wurde: Villen, Rotherbaum-Flair und dann – zack – der krasse Gegensatz. Obdachlosenzelte direkt an der Außenalster, mitten im Kontrast zwischen Glanz und harter Realität.

Natürlich musste ich noch am Hotel Atlantic vorbei, kurz schauen, ob Udo Lindenberg da ist (P.S. War er nicht). Dafür das Hamburger Rathaus fotografiert, die Mönckebergstraße überquert und dann auf den Tacho geschaut: 44,1 Kilometer! Damit offiziell den Wander-Marathon von 42,195 Kilometern geknackt. Wenn das kein Grund zum Feiern war!

Und die Belohnung? Die Jubiläumsgala im First Stage Theater – ein echter Geheimtipp für Musicalfans! Hier stehen Schauspielschüler in Ausbildung auf der Bühne und hauen ein Programm raus, das von voller Power bis zu melancholischen Momenten alles bietet. Ich bin sowas von begeistert! Da wandert man den ganzen Tag und landet abends im Theater – besser geht’s nicht.

Ja, klar, ich war den ganzen Tag unterwegs und bin ziemlich geschafft. Aber mal ehrlich: Das Leben ist zu kurz für später. Mir geht’s damit richtig gut, und morgen noch besser – denn dann sehe ich endlich meine Frau wieder. Zuhause hole ich mir wieder die Ruhephasen. Der letzte Wandertag nach Hamburg-Wedel steht morgen an, und der Bericht dazu kommt am Mittwoch. Also, bleibt dran!

Von Bernhard Kruppki

Jahrgang 1963, Sparkassenbetriebswirt, jetzt Pensionär, 1. Vorsitzender, Pressewart und stv. Wanderwart beim SC Barienrode e.V., Gesetzlicher ehrenamtlicher Betreuer von drei lieben Menschen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert