So, meine Lieben, es ist mal wieder soweit: die 16. Wanderung auf einem deutschen Jakobsweg von Bad Doberan über Lübeck bis Hamburg-Wedel vom 2.-12. März steht an. Heute von Bad Doberan nach Neubukow. Und was wäre eine Pilgerreise ohne epische Erlebnisse, tiefe Einsichten und die Erkenntnis, dass ein Schuhanzieher das beste Stück Zivilisation seit der Erfindung des Radiergummis ist? Aber fangen wir von vorne an.

Gestern habe ich mich heldenhaft 5,5 Stunden mit dem Wohnmobil nach Neubukow geschleppt – müde, aber hochmotiviert. Die Belohnung? Kassler mit Sauerkraut und Kartoffeln. Liebe geht bekanntlich durch den Magen, und meine Frau liebt mich sehr – sie hat für mehrere Tage vorgekocht. Gut gestärkt ging es heute Morgen mit der Bahn nach Bad Doberan, dem Startpunkt meiner Pilgertour.

Auf dem Weg zum Bahnhof in Neubukow wurde ich direkt mit der harten Realität konfrontiert: der Bahnsteig sah aus wie nach einem Festival-Wochenende. Natürlich habe ich das per App gemeldet – man ist ja nicht nur Pilger, sondern auch Weltverbesserer. Weniger Müll, mehr Segen!

Los ging es durch den Kultur- und Heilwald Bad Doberan, wo man zwischen Bäumen und gutem Karma wandern kann. Vorbei an einem Forsthaus, in dem tatsächlich Südseeträume aus Treibholz entstehen. Wer braucht schon Bali, wenn man in Mecklenburg so etwas hat? In Retschow wird noch gesponnen – Wolle, versteht sich. Hoffentlich nur die Wolle und nicht die Einwohner.

Die Wege waren top, nur zwischen Alt Karin und Krempin musste ich mich 2,5 Kilometer an der Straße K101 entlangquälen. Da fragt man sich ja, ob das Teil der spirituellen Prüfung ist. Danach ging’s aber wieder idyllisch durch das Land der weiten Felder, wo sich der Horizont gefühlt in einer anderen Zeitzone befindet.

Übrigens ganz vergessen heute morgen passierte es: die Offenbarung des Tages – der Schuhanzieher! Jahrzehntelang habe ich mich geweigert, einen zu benutzen. Denn in meinem Kopf war klar: Schuhanzieher = Altersheim. Aber dann… Heute Morgen, kalter Wind, eiskalte Finger, und zack – in Sekunden fertig! Keine gefühlten zehn Minuten mehr rumgekämpft, keine eingeklemmten Finger. Ich sag’s euch: Es gibt ein Leben vor und nach dem Schuhanzieher.

Ein weiteres Highlight auf dieser Tour: die erste Pilgerbücherei! Kein Witz, mitten am Jakobsweg zwischen Bad Doberan und Neubukow in Krempin steht sie. Schon etwas in die Jahre gekommen, aber ein leuchtendes Zeichen für die belesenen Pilgerseelen. Wer braucht schon WLAN, wenn man Geschichten in den Händen halten kann?

Nach 26,24 Kilometern und einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 5,3 km/h kam ich wieder in Neubukow an. Zum krönenden Abschluss stand noch ein Besuch im Geburtshaus von Heinrich Schliemann an – ja genau, der Typ, der Troja entdeckt hat!

Fazit des Tages: Pilgern bildet, friert und macht demütig – besonders vor der Genialität eines Schuhanziehers.

Von Bernhard Kruppki

Jahrgang 1963, Sparkassenbetriebswirt, jetzt Pensionär, 1. Vorsitzender, Pressewart und stv. Wanderwart beim SC Barienrode e.V., Gesetzlicher ehrenamtlicher Betreuer von drei lieben Menschen.

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